Aus der Geschichte der Schiffsbrücke

In einem Artikel in der Zeitschrift „Denkmalpflege im Rheinland“ des Landschaftsverbandes Rheinland aus dem Jahr 1995 wird über die Geschichte der Schiffsbrücke berichtet. Ein Auszug ist hier wiedergegeben.


Leverkusen-Rheindorf
»Einigkeit« und »Recht« und »Freiheit« –
Die Schiffsbrücke in der alten Wuppermündung
„Denkmalpflege im Rheinland“.
Auszug aus Heft 3/95. Hrsg. v. Landschaftsverband Rheinland.


Eine Brückenverbindung über die Wupper als letzter Übergang vor der Mündung in den Rhein ist bereits seit dem Jahre 1775 nachweisbar. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts fand sie jedoch keine Erwähnung mehr und wurde durch einen Fährbetrieb ersetzt.

Die rasante industrielle Entwicklung, die Leverkusen seit der Jahrhundertwende erfuhr, hatte auch einen so beträchtlichen Anstieg des Verkehrsaufkommens zur Folge, daß die Fähre im Jahre 1920 durch eine erste Schiffssteganlage ersetzt wurde. Obwohl im Laufe der Jahrzehnte ständig modifiziert und verbessert, kam es immer wieder zu Beschädigungen oder Zerstörungen durch Hochwasser und auch Kriegseinflüsse. Seit nunmehr die drei historischen und auf die Namen »Einigkeit«, »Recht« und »Freiheit« getauften Schiffe in der alten Wuppermündung ihren letzten Liegeplatz fanden, haben sie die Funktion der Brückenschiffe übernommen. Am 14.7.83 wurde die Gesamtanlage in die Denkmalliste der Stadt Leverkusen eingetragen.

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Der einer alteingesessenen Rheindorfer Schifferfamilie entstammende Fährmann Heinrich Gless besaß bereits in den 20er Jahren die Fährrechte sowohl von Rheindorf auf die andere Rheinseite nach Rheinkassel als auch für die Überquerung der Wuppermündung. Die von ihm 1929 errichtete Steganlage, für deren Benutzung er sogar bis 1938 Brückenzoll erheben durfte (5 Pfennig für Fußgänger, 10 Pfennig für Radfahrer) wurde kurz vor Kriegsende gesprengt. Schon 1946, nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft, baute Heinrich Gless aus ehemaligen Pontons und anderem Material aus Wehrmachtsbeständen wieder eine neue Brückenanlage auf. Auch der Vertrag aus dem Jahre 1938 mit der Stadt Leverkusen, nach dem gegen Zahlung eines jährlichen Geldbetrages der Brückenzoll entfiel, wurde nach dem 2. Weltkrieg erneuert.

Im Jahre 1956 wurde diese erste Nachkriegsanlage durch Hochwasser abgetrieben und stark beschädigt. In dem Bestreben, eine stabile und dauerhafte Brücke zu errichten, erwarb Gless nacheinander drei alte Schiffe und verbrachte sie in die Wuppermündung, wo sie ihm als schwimmende Tragpfeiler dienen sollten. Mit Sicherheit geht auch deren Namensgebung auf Gless zurück. Mit den Namen »Einigkeit«, »Recht« und »Freiheit«, benannt nach einigen der Fundamentalprinzipien des Staatsaufbaus, die bereits H. H. Hoffmann von Fallersieben der dritten Strophe seines Liedes der Deutschen von 1841 und heutigen deutschen Nationalhymne voranstellte, versinnbildlichen sie ihre tragende Funktion, ohne die die Brücke nicht existieren könnte.

Ebenfalls aus dem Jahre 1956 datiert eine Schankerlaubnis, die es dem Fährmann gestattete, in dem in einem der Schiffe eingerichteten Gastraum „nichtgeistige Getränke“ auszuschenken. Diese, offenbar zuerst als Nebenerwerb gedachte Nutzung, blieb bis Anfang der 90er Jahre erhalten.

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Ein Großbauprojekt im Bereich der Stadtteile Wiesdorf und Rheindorf hätte der Schiffsbrücke in den 70er Jahren beinahe das Wasser abgegraben und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Die Errichtung einer Deponie erzwang die Verlegung der Wupper, die in der Folge eine neue Mündung etwas stromabwärts der ursprünglichen erhielt. Ein Stück des alten Flußbettes blieb jedoch erhalten und wurde vom Rhein durch einen kleinen Damm abgetrennt. Die Schiffsbrücke konnte erhalten werden, auch wenn sie ihre alte Funktion als einziger Übergang im Mündungsbereich verloren hatte.

Nach dem Tode von Fährmann Gless veräußerten seine Erben die Schiffsbrücke Anfang der 80er Jahre an einen ebenfalls in Rheindorf ansässigen Unternehmer, der sich die Erhaltung der Schiffe zum Ziel gesetzt hatte. Mit hohem persönlichen Engagement als auch mit hohem finanziellen Aufwand erfolgte die Reparatur (hierzu wurden die Schiffe bei einem Hochwasser bis zum Grundstück des neuen Eigentümers an der neuen Wupper verbracht und später bei erneutem Hochwasser wieder an ihren angestammten Liegeplatz verlegt). Gleichzeitig wurde die Gaststättennutzung erweitert, indem nunmehr zwei Schiffe mit Gasträumen ausgestattet waren und das dritte als Versorgungsschiff diente. Wie auch schon in der Vergangenheit entwickelte sich die Schiffsbrücke zu einem weithin bekannten und beliebten Ausflugsziel.

Die Gesamtanlage kam 1991 erneut zur Veräußerung. Im September des darauffolgenden Jahres ereignete sich der erste Brand. Das aus ungeklärter Ursache ausgebrochene Feuer zerstörte große Teile der in den 80er Jahren errichteten Aufbauten auf der »Recht« und hatte den Untergang des Schiffes zur Folge. Einige Zeit nach diesem Ereignis wurde der Denkmalbehörde vom letzten bekannten Eigentümer ein Vertrag vorgelegt, nach dem die Schiffe samt Brückenanlage nach Rotterdam veräußert worden seien. Die Erwerberfirma war jedoch lange Zeit nicht auffindbar. Die Erkenntnisse, die die diesbezüglichen Nachforschungen erbrachten, haben sich in letzter Zeit immer mehr zur Gewißheit verdichtet, daß diese Firma nicht existiert.

Inzwischen [Anm.: Stand 1995] liegen »Einigkeit«, »Freiheit« und »Recht«, nach verschiedenen Sicherungs- und Rettungsaktionen, wieder zusammen an ihrem angestammten Liegeplatz vor Anker und bieten (fast) den seit Jahrzehnten vertrauten Anblick. Zunächst einmal sind sie damit abgesichert, eine ordnungsgemäße Reparatur und Überholung kann hingegen nur auf einer Werft durchgeführt werden.


1988   Die Schiffsbrücke mit den drei Schiffen zur Zeit ihrer Nutzung


Die Schiffe
Gesamtbetrachtung

Jedes der drei Schiffe repräsentiert für sich gesehen ein Stück Schiffahrtsgeschichte. Es wird an ihnen deutlich, wie für bestimmte Aufgaben spezielle Schiffstypen entwickelt worden sind, die wiederum auch noch Anpassungen an die Gegebenheiten ihrer spezifischen Einsatzgebiete erkennen lassen. Zunächst die heutige »Recht« als ein Beispiel eines speziell für den Aalfang auf den großen Flüssen konzipierten Fangbootes, zweckmäßig, funktional ohne Schnörkel, gleichwohl sorgfältig und stabil gebaut.

Weiterhin die beiden Segler, beides Frachtschiffe, jedoch wiederum jedes mit charakteristischen Eigenarten bzw. Merkmalen. Die Tjalk »Freiheit« präsentiert sich ebenso als ein Zweckbau wie der Aalschokker. Robust und ganz auf Tragfähigkeit konstruiert macht sie eher den Eindruck eines „Arbeitspferdes“, angepaßt an die nautischen Besonderheiten der flachen Küstengewässer und der großen Flußläufe.

Die heutige »Einigkeit« hingegen zeigt das Bild eines repräsentativen Schiffes mit einer eleganten Linienführung, dessen ursprüngliche Bestimmung zwar ebenso der Frachttransport war, jedoch wurde bei ihr erheblicher Wert auf Schnelligkeit gelegt. Die verhältnismäßige schnittige Rumpfkonstruktion und die auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegte Ruderanlage geben hiervon Zeugnis. Auch dürfte ihr früheres Einsatzgebiet aufgrund dieser Baudetails ebenso die offene See wie auch die Küstengewässer gewesen sein.

Allen drei Schiffen gemeinsam ist ihre Verwendung als Aalfänger, bei den beiden letztgenannten bereits als Zweitverwendung sowie als Brücken- bzw. Gaststättenschiffe. Somit dokumentieren sie das heute fast gänzlich ausgestorbene Gewerbe der Rheinfischerei mit seiner langen Geschichte und erlangen letztendlich ihre ortsgeschichtliche Bedeutung als schwimmende Tragpfeiler der Schiffsbrücke in der alten Wuppermündung.

Das Phänomen schließlich, daß Schiffe nach der ihnen ursprünglich zugedachten Verwendung für andere Aufgaben umgebaut und genutzt werden, ist in der Seefahrtsgeschichte seit langer Zeit bekannt. Hierzu nur 3 kurze Beispiele. Bereits im 9. Jahrhundert wurden die Drachenschiffe der Wikinger gelegentlich zu Totenschiffen umfunktioniert, indem sie mit hochgestellten Persönlichkeiten an Bord in großen Hügelgräbern bestattet wurden, um so die Toten in das Jenseits geleiten zu können; die Linienschiffe des 18. und 19. Jahrhunderts (die größten Segel-Kriegsschiffe ihrer Zeit) wurden nach ihrer Streichung aus der Flottenliste gar zu Gefängnisschiffen, den sogenannten Gefangenenhulks, und so manches Panzerschiff der Marine des Deutschen Kaiserreiches wurde zum Wohn- und Büroschiff und endete als Zielschiff für Schießübungen der Flotte.

War die Verwendung der drei Schiffe in der alten Wuppermündung auch nie kultischen oder kriegerischen Ursprungs, so stehen sie mit ihren Umnutzungen doch in einer langen Tradition der Schifffahrtsgeschichte.

Jörg Gansau
Untere Denkmalbehörde
Leverkusen